Eines Abends haben wir etwas getan, was wir sonst selten machen. Eine Wanderung nur für Erwachsene. Sebastian würde sagen es war nur ein Spaziergang, zweieinhalb Kilometer den Berg hinauf zu einem Aussichtspunkt und wieder zurück. Für mich war es Sport, denn wir haben uns abgewechselt und ich, die ich als zweites dran war, wollte vor Sonnenuntergang wieder da sein und habe mich ziemlich beeilt.
Eigentlich hatten wir vor, am Morgen mit den Kindern zum Parkplatz direkt am Ausgangspunkt des Weges zu fahren und mit ihnen zum Aussichtspunkt zu gehen. Bei unserer Ankunft hat es, wie so oft in letzter Zeit, nur geregnet. Als es abends gegen 20 Uhr für einen Moment nachließ, haben wir uns spontan entschieden, schon mal selbst hochzulaufen.
Der Aussichtspunkt ist kein gewöhnlicher. In Norwegen gibt es immer wieder architektonische Highlights mitten in der Natur. So auch der Snøhetta-Aussichtspunkt. Der Kubus aus Holz und Glas steht wie ein Ufo in der kargen Landschaft des Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalparks. Tagsüber ist auf dem geschotterten Weg nach oben viel los, aber am Abend kommen mir nur noch vereinzelte Menschen entgegen.
Während die erste Etappe langweilig ist — nur ein Kilometer vom Schlafplatz zum Startpunkt der Wanderung —, belohnt die zweite mit einem weiten Blick über die umliegenden Täler.
Als ich fast ganz oben bin, ist das Auto unten nicht mehr zu sehen und die Dämmerung hat sich über den Berg gelegt. Das Gebäude taucht hinter einer Anhöhe auf, scheint mit jedem Schritt, den ich mich nähere, weiter aus dem steinigen Untergrund zu wachsen. Innen ist ein Kamin, in dem ein gemütliches Holzfeuer brennt. Sebastian hatte mir berichtet, dass er ganz alleine auf einer der hölzernen Sitzflächen saß und durch das Panoramafenster der Sonne auf ihrem Weg nach unten zusehen konnte.
Als ich eintrete, sitzt auf den Bänken eine Gruppe Jugendlicher, es läuft leise Musik. Zusammen schauen wir auf die Berge, während die Schatten länger werden. Schließlich breche ich wieder auf nach unten. Kurz, nachdem ich wieder im Auto bin, fängt es an zu regnen. Am nächsten Morgen ist es nass und kalt, nur 6 Grad. Wir gehen nicht mit den Kindern wandern.
So ist es uns andauernd gegangen, seit wir in Norwegen sind. Es liegt in diesem Jahr eine ungünstige Großwetterlage über Europa. Tiefdruckgebiete ringen um Vorherrschaft im Norden. Anstatt in der Hochsaison und Hauptreisezeit Norwegen von seiner schönsten, trockensten und wärmsten Seite zu erleben, fahren wir von einer Matschpiste zur nächsten. Den ganzen Tag hängen die Wolken grau und dicht über uns.
Wenn es einmal nicht regnet, springen wir sofort aus dem Auto, um zu kochen und zu spielen. Aber so haben wir uns die Zeit in Norwegen nicht vorgestellt. Zwar macht ein bisschen Regen uns nichts aus, aber der Sommer lässt ja schon seit Wochen auf sich warten. Und eins ist klar: Wenn der Sommer erst vorbei ist, wird es in Norwegen nicht besser.
Um schnell etwas Abhilfe zu schaffen, haben wir unsere Pläne verworfen, über das Innland Richtung Norden zu fahren und sind stattdessen bei Trondheim Richtung Küste abgebogen. Hier hat es heute zum ersten Mal seit Tagen einen ganzen Nachmittag nicht geregnet. Wie es weitergeht? Ich weiß es nicht. Aber wir sind noch nicht bereit, auf einen Sommer zu verzichten. Und den gibt es ganz bestimmt irgendwo. Nur vielleicht nicht hier in Skandinavien.